Seite 3 von 3
Die Bedeutung der Kinderkrankheiten
Unsere EmpfehlungSo zurückhaltend wir in der Therapie der meisten weniger gefährlichen Infektionskrankheiten sind, so deutlich sprechen wir uns für eine Impfung gegen die klassischen Kinderkrankheiten Röteln, Masern, Mumps und Keuchhusten aus. Denn: »Inneres Wachsen« ist auch bei solchen Infektionskrankheiten möglich, bei denen der gesundheitliche Einsatz weniger hoch ist. Weitere Infektionskrankheiten bei KindernDie klassischen Kinderkrankheiten sind aber nicht die einzigen Infektionskrankheiten, für die Kinder besonders empfänglich sind. Bei Kindern häufen sich auch viele glücklicherweise meist harmlose Infektionskrankheiten, ganz vorne die Erkältungskrankheiten und Mittelohrentzündungen. Nun sind gerade die Erreger der banalen Erkältungskrankheiten ein buntes und zahlenstarkes Volk – der Schnupfen etwa, der die Kinder so oft plagt, kann durch über 200 verschiedene Viren ausgelöst werden! Auch wenn sich diese Viren oft so stark ähneln, dass die Mediziner sie in »Familien« zusammenfassen – das Immunsystem muss mit jedem einzelnen Erreger umgehen lernen, bevor es dann gegen Ende der Kindheit zu guter Letzt Ruhe gibt. Insofern ist die Kindheit eine intensive Trainingszeit des Immunsystems und das Kind ein geradezu »natürlicherweise« infektanfälliges Wesen. Das Immuntraining gegen die meisten Erreger beginnt allerdings erst nach einer gewissen Schonzeit: Säuglinge sind in den ersten 6–9 Lebensmonaten noch durch die in der Schwangerschaft von der Mutter übertragenen Abwehrstoffe geschützt (Leihimmunität oder Nestschutz). Auch durch das Stillen werden Abwehrstoffe übertragen, die vor allem den Darm vor Infektionen schützen. Es ist also kein Zufall, dass Infektionskrankheiten bei Säuglingen sehr viel seltener sind als beim Kleinkind – andererseits werden gerade Säuglinge wegen des noch nicht vollständig aufgebauten Immunsystems mit Infektionskrankheiten oft schlechter fertig. Infektionskrankheiten beim Säugling müssen deshalb stets ernst genommen werden. Wie äußern sich Infektionskrankheiten?Nach der Ansteckung, die oft über die Schleimhäute verläuft (und zwar meist »von der Hand in den Mund«), tut sich lange Zeit scheinbar überhaupt nichts (sog. Inkubationszeit, »Bebrütungszeit«). Während dieser je nach Erreger Stunden bis Wochen dauernden Phase vermehren sich die Keime im Körper. In dieser Zeit sind die Kinder schon ansteckend, obwohl sie noch gar nicht krank erscheinen. Entweder plötzlich oder nach einer uncharakteristischen Vorphase setzen dann die eigentlichen Krankheitszeichen ein: Hierzu gehören (meist) Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitmangel und häufig auch Hautausschläge, die besonders für die »Kinderkrankheiten« das wichtigste Erkennungsmerkmal sind. Lebensgefährlich: BlutvergiftungIn aller Regel beschränken sich Infektionskrankheiten auf einzelne Organe oder Gewebe. Sehr selten, etwa bei Kindern mit geschwächter Körperabwehr, bisweilen auch bei Neugeborenen, können die Erreger jedoch in großer Zahl in den Blutstrom eindringen und eine den ganzen Körper betreffende, schwere Entzündungskrankheit auslösen, die Blutvergiftung (= Sepsis). Der Kreislauf der betroffenen Kinder ist schwer gestört, was sich an der gräulichen Hautfarbe und der allgemeinen Apathie bzw. Bewusstseinstrübung zeigt. Nur eine rasche intensivmedizinische und antibiotische Behandlung kann das oft tödliche Fortschreiten der Sepsis aufhalten. Medikamente gegen InfektionskrankheitenWie bei anderen Erkrankungen, so kann man auch bei Infektionskrankheiten die Beschwerden, wie etwa Fieber, durch Medikamente lindern. Gegen die Erreger selbst wirken allerdings nur die sog. antiinfektiösen Medikamente. Zu ihnen zählen:
Antibiotika – jein danke?Die Frage »Antibiotika – ja oder nein« wird nicht nur unter Medizinern, sondern auch unter Eltern heftig und oft emotionsgeladendiskutiert. Antibiotika nutzen Unterschiede zwischen menschlichen und Bakterienzellen, um Bakterien gezielt am Wachstum zu hindern oder sogar abzutöten (bakteriostatische bzw. bakterizide Antibiotika). Jedes Antibiotikum wirkt nur gegen bestimmte Erreger (Wirkungsspektrum), kann dabei aber nicht zwischen Freund (z. B. »gute« Darmbakterien) und Feind unterscheiden. Insbesondere sog. Breitspektrumantibiotika, die gegen viele Bakterien wirksam sind, bringen deshalb oft die natürliche Darmflora aus dem Gleichgewicht – nach ein paar Tagen Antibiotikabehandlung beginnt ein Durchfall, der erst nach Absetzen des Medikaments wieder schwindet. Aus dem gleichen Grunde bekommen vor allem Säuglinge bei Antibiotikabehandlung nicht selten eine Soorinfektion in der Windelregion. Häufig kommen auch Hautausschläge unter Antibiotikabehandlung vor, die jedoch nicht immer auf eine Allergie zurückzuführen sind. Aber es kann noch schlimmer kommen: Bakterien können unempfindlich gegenüber Antibiotika werden, insbesondere bei unkritischer Anwendung nach dem »Gießkannenprinzip« oder bei inkonsequent durchgeführter Behandlung (zu kurz oder zu niedrig dosiert). Dadurch wächst die Gefahr, dass die Antibiotika, wenn sie wirklich einmal gebraucht werden, gegen das früher einmal empfindliche Bakterium »nicht mehr greifen«. Bei einigen Bakterien sind diese Antibiotikaresistenzen bereits jetzt ein großes Problem. Unsere EmpfehlungUnserer Ansicht nach nützt dem Kind weder eine kategorische Ablehnung von Antibiotika noch ihre großzügige Anwendung, »um Schlimmeres zu verhüten«. Die meisten Krankheiten des Kindes sind durch Viren bedingt. Antibiotika bringen dem Kind hier nur Nachteile. Virostatika wären zwar vom theoretischen Ansatz her die richtige Alternative, haben aber teilweise erhebliche Nebenwirkungen und bleiben deshalb immungeschwächten schwerkranken Kindern vorbehalten. Angezeigt sind Antibiotika hingegen bei solchen bakteriellen Infektionen, die erfahrungsgemäß schwer verlaufen oder bei denen Komplikationen drohen, wie etwa die Lungenentzündung oder der Scharlach. Am günstigsten sind dann Antibiotika mit möglichst engem Spektrum, d. h. solche, die zwar den krankmachenden Keim erwischen, aber möglichst wenige »Nützlinge«. Breitspektrumantibiotika oder neu entwickelte Antibiotika sollten Problemfällen z. B. im Krankenhausbereich vorbehalten bleiben, um eine Resistenzentwicklung nicht zu begünstigen. Penicillin, obschon alt, ist daher bei Kindern nach wie vor oft »erste Wahl«. Zu der häufig gestellten Frage »Antibiotika bei Mittelohrentzündung?« gibt es unterschiedliche Meinungen (unsere Empfehlung zum Thema Antibiotika bei Mittelohrentzündung). Ist einmal die Entscheidung zur Antibiotikabehandlung gefallen, sollte die Behandlung genau nach Vorschrift erfolgen, also ausreichend hoch dosiert und ausreichend lang. Zu geringe Dosierungen (»wegen der Nebenwirkungen«) oder zu frühes Absetzen (»es ging ihm doch schon wieder so gut«) begünstigen ein Wiederaufflackern der Infektion. Auch können sich bei zu niedriger Dosierung sehr leicht Antibiotikaresistenzen entwickeln – das Medikament wirkt dann bei späteren Infektionen nicht mehr. Häufig eingesetzte AntibiotikaBei Kindern werden häufig folgende Antibiotika eingesetzt:
Um dem bei Antibiotika häufigen Durchfall vorzubeugen, können Sie dem Kind von Beginn der Antibiotikabehandlung an sog. »probiotische Joghurts« (etwa aus dem Naturkostladen) oder spezielle Präparate aus der Apotheke (z. B. Lactobacillus GG als Pulver) geben – die darin enthaltenen Mikroorganismen helfen, das Gleichgewicht im Darm aufrechtzuerhalten. VirostatikaViren machen den weitaus größten Anteil der Erreger menschlicher Infektionskrankheiten aus. Etwa 400 Virenarten bewohnen den menschlichen Körper, viele davon verursachen keine Krankheiten. Alle Viren sind selbst nicht lebensfähig und benutzen den Stoffwechsel der befallenen Zelle, um sich zu vermehren. Dadurch bieten sie weniger »Angriffsfläche« und sind somit erheblich schwerer zu bekämpfen als Bakterien. Wie erwähnt, sind die gegen Viren wirksamen Medikamente (= Virostatika, Virustatika) wegen ihrer oft vielfältigen Nebenwirkungen nur bei schweren Virusinfektionen (z. B. einer viralen Hirnhautentzündung) angezeigt.
|