Fieber
Donnerstag, den 16. Juli 2009 um 16:01 Uhr
Fieber hat einen schlechten Ruf. Auch die literarische Bearbeitung des Fiebers, etwa in Goethes Ballade »Der Erlkönig«, setzt Fieber in ein geradezu unheimliches Licht: »In den Armen, das Kind – war tot«, so endet dieses spannende Gedicht über die Fieberträume des Kindes und das atemlose Ringen seines Vaters. Was im »Erlkönig« nicht erwähnt wird, ist die zugrunde liegende Erkrankung des Kindes – hatte es eine Hirnhautentzündung? Einen durchgebrochenen Blinddarm? Denn Fieber ist immer nur eine Begleiterscheinung und für sich selbst genommen nur in Ausnahmefällen krankhaft. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass Fieber die Abwehr des Körpers unterstützt (siehe unten). Wann zum ArztDie Höhe des Fiebers sagt wenig über die Gefährlichkeit der zugrunde liegenden Erkrankung aus. Deshalb ist die Angabe genauer Grenzwerte (etwa »zum Kinderarzt ab 39 °C Fieber«) schwierig. Achten Sie eher auf die Zeichen der Krankheit als auf die Höhe des Fiebers.
Aus unserer Sicht unterstützt Fieber den Heilungsverlauf. Bedrohlich ist in aller Regel nicht das Fieber, sondern die Krankheit, die der Körper durch Fieber bekämpfen will!
Fieber – nützlich oder schädlich?Während die Hauttemperatur des Menschen je nach Umgebungstemperatur sehr unterschiedlich sein kann, liegt die Körperkerntemperatur, meist kurz als Körpertemperatur bezeichnet, recht konstant um die 37 °C. Dafür sorgt das sog. Temperaturzentrum im Gehirn, das, vergleichbar dem Thermostat einer Heizung, besagte 37 °C als »Solltemperatur« vorgibt. Gewisse Schwankungen sind aber normal. Charakteristischerweise ist die Körpertemperatur morgens am niedrigsten und erreicht am späten Nachmittag ihr Maximum. Beim Erwachsenen und Jugendlichen schwankt die normale Körpertemperatur im Tagesverlauf um etwa ein Grad. Jeder Mensch hat dabei eine etwas andere »Betriebstemperatur«: 36,0 °C am Morgen sind deshalb je nach »Typ« ebenso normal wie 38,0 °C am späteren Nachmittag (diese Temperaturen geben jeweils den im After gemessenen Wert wieder, im Mund sind die Temperaturen um etwa 0,5 °C niedriger). Vor allem in den ersten zwei Lebensjahren ist dieser Tagesrhythmus allerdings weitaus geringer ausgeprägt, die normale Körpertemperatur schwankt hier nur um etwa 0,5 °C. Die Erhöhung der Körpertemperatur auf 38,5 °C oder mehr beim älteren Kind wird Fieber genannt. In der Grauzone zwischen 38,0 und 38,5 °C sprechen manche Ärzte auch von erhöhter oder subfebriler Temperatur. Beim Säugling und Kleinkind liegt die »Fiebergrenze« tiefer, hier sind schon Temperaturen über 38 °C als Fieber anzusehen, und der Begriff der »erhöhten Temperatur« wird nicht gebraucht. Siehe Messung des Fiebers Wodurch entsteht Fieber?Fieber ist bedingt durch bestimmte Botenstoffe des Immunsystems, die immer dann abgegeben werden, wenn der Körper mit Entzündungen zu kämpfen hat. Solche Entzündungen entstehen meist durch Infektionserreger (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten), manchmal aber auch durch Autoimmunprozesse oder andere Abwehrvorgänge. Als Resultat wird der Temperatursollwert im Gehirn angehoben. Der Körper bemüht sich nun, die neue »Vorgabe« zu erreichen – kühle Haut, Frieren und Zittern bis zum Schüttelfrost sind die allen Eltern bekannten Zeichen dieses Fieberanstiegs. Vom Fieber zu unterscheiden ist die Ãœberhitzung (Hyperthermie). Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Erhöhung der Körpertemperatur, allerdings wird sie nicht durch Entzündungen ausgelöst, sondern durch eine zu starke Hitzezufuhr von außen (etwa beim Sonnenstich) oder aber durch – sehr seltene – Muskelerkrankungen. Bei Letzteren, auch als maligne Hyperthermie bezeichneten Formen entgleist bei erblich veranlagten Menschen der Stoffwechsel in der Muskulatur nach Gabe bestimmter Narkosemittel. Die Muskulatur bildet dadurch extrem viel Wärme – dadurch kann die Körpertemperatur bis über 42 °C ansteigen. Folgen des FiebersAls Folge des Fiebers wird der Stoffwechsel hochgefahren, der Körper wird insgesamt aktiver. Er verbraucht mehr Sauerstoff und schwitzt mehr Wasser aus. Gleichzeitig werden die Gehirnzellen reizbarer, was sich z. B. durch aktivere Träume bis hin zu Tagträumen und Halluzinationen (Fieberdelirium) äußert. Die erhöhte Reizbarkeit des Gehirns kann bei entsprechend veranlagten Kindern zu Fieberkrämpfen führen. Eines allerdings kann Fieber nicht, auch wenn Eltern immer wieder diese Sorge äußern: das Kind »verglühen«. Im Gegensatz zur Hyperthermie steigt Fieber nicht in Bereiche an, bei denen die Körperfunktionen »einfach aussetzen« oder Eiweiße durch die Hitze geschädigt werden. Die »Temperaturobergrenze« bei Fieber liegt etwa bei 41,5 °C – höhere Temperaturen werden nur bei bestimmten, seltenen Erkrankungen (angeborene Muskelschwäche, Reye-Syndrom, schwere Gehirnentzündungen und Tetanus) gesehen. Je höher, desto schlimmer?Oft wird vermutet, eine Krankheit sei umso schlimmer, je höher das Fieber ist. Dies stimmt pauschal nicht. Viele relativ harmlose Infektionskrankheiten gehen mit hohem Fieber einher (etwa das Dreitagefieber), während andere, weit gefährlichere Infektionen zu vergleichsweise mildem Fieber führen (etwa Herzbeutelentzündungen oder manche Gehirnentzündungen). Sehr schwer verlaufende Infektionen wie etwa die Sepsis (Blutvergiftung) gehen manchmal sogar mit Normal- oder gar Untertemperatur einher. Die Vorstellung, ab einer gewissen Höhe des Fiebers seien spezielle Schritte (etwa der Gang zum Kinderarzt) erforderlich, stimmt deshalb als pauschaler Rat nicht. Kann Fieber gut für das Kind sein?Schon längere Zeit ist bekannt, dass einige Teile des Immunsystems bei erhöhten Temperaturen schneller arbeiten. So werden z. B. bei Fieber mehr Abwehrstoffe produziert. Auch nimmt die Angriffslust mancher Krankheitserreger bei höheren Temperaturen ab. Auch das folgende Experiment deutet auf einen möglichen Nutzen des Fiebers: Wenn Eidechsen künstlich infiziert werden (etwa indem ihnen Erreger in den Körper gespritzt werden), suchen sie instinktiv sonnige Plätze auf – die wechselwarmen Tiere erhöhen dadurch ihre Körpertemperatur um mehrere Grade. Wenn man nun einen Teil der Tiere daran hindert, den Schatten zu verlassen, so zeigen diese eine höhere Sterblichkeit als jene, die sich frei in die Sonne bewegen können. Zumindest bei Reptilien hat »Fieber« also eine eindeutig krankheitsbekämpfende Funktion. Dass dies wahrscheinlich auch für den Menschen gilt, zeigt ein anderes Experiment. So ist etwa die Dauer der »echten Grippe« (Influenza) bei Erwachsenen um drei Tage kürzer, wenn auf eine fiebersenkende Behandlung verzichtet wird. Ob dies auch für andere Infektionskrankheiten gilt, ist nicht sicher. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich der Körper die mit dem Fieber verbundene zusätzliche Arbeit nicht umsonst abverlangt und Fieber in aller Regel die Immunabwehr unterstützt. Was tun bei Fieber?Aus den besprochenen Gründen sollte Fieber weitgehend in Ruhe gelassen werden. Sorgen Sie dafür, dass der Körper mit der Temperatur gut zurechtkommt, indem Sie:
Bei Fieber ist der Flüssigkeitsbedarf des Körpers erhöht, das Kind schläft aber viel und ist auch in Wachzeiten nicht selten zu müde, um ans Trinken zu denken. Die Gefahr der Austrocknung ist daher erhöht. Unserer Erfahrung nach reicht es bei »richtig« kranken Kindern nicht, ihnen etwas zu trinken hinzustellen. Vielmehr hat es sich bewährt, dem Kind in Wachphasen in regelmäßigen Abständen etwas zu trinken zu reichen; auch die damit verbundene Zuwendung tut dem Kind gut. Wann das Fieber senken?Nur wenn das Fieber Ihr Kind über Gebühr strapaziert, sollten Sie es senken, etwa:
Manchmal wird Sie auch der Kinderarzt bitten, das Fieber zu senken, etwa um herauszufinden, ob hinter dem eingeschränkten Zustand Ihres Kindes eher das Fieber steckt oder die Krankheit selbst. Wie das Fieber senkenOft hilft es schon, Ihr Kind leichter anzuziehen oder es ganz auszuziehen – decken Sie es aber immer mit einer Baumwolldecke zu, um es vor Zugluft zu schützen. Die Wirkung hängt insbesondere vom Fieberstadium ab: So ist die Hautdurchblutung in der Phase des Fieberanstiegs stark eingeschränkt (was Sie an den kalten Händen und kalten Füßen merken). Die jetzt auf die Haut aufgelegten Wickel können gar keine Wärme »aufgreifen«, sie sind also im besten Fall wirkungslos. Nur wenn das Kind »glüht« (warme Hände, warme Füße), sind äußere Anwendungen sinnvoll. Die Wickel dürfen jedoch nicht zu kalt sein, da sich sonst die Blutgefäße der Haut zusammenziehen und die Hitze aus dem Körperinneren nicht mehr ableiten können (siehe Wadenwickel). Auf keinen Fall sollte Ihr Kind durch die Anwendungen zittern, dies treibt die Temperatur weiter nach oben. Medikamente zur FiebersenkungBei Kindern sind vor allem zwei Wirkstoffe zur Fiebersenkung geeignet: Paracetamol und Ibuprofen. Sie sorgen dafür, dass der Körper weniger Prostaglandine bildet, das sind die vom Körper bei Entzündungen gebildeten Wirkstoffe, welche letzten Endes für die Verstellung des »Körperthermostats« verantwortlich sind, d. h. dem Körper signalisieren, dass er »einheizen« soll. Beide Wirkstoffe bekämpfen nicht nur das Fieber, sondern sind auch gute Schmerzmittel, Ibuprofen wirkt zudem entzündungshemmend. Paracetamol ist für alle Altersgruppen zugelassen, Ibuprofen erst ab drei Monaten. Die Wirkstoffe stehen als Zäpfchen, Saft oder Tabletten zur Verfügung. Sowohl Paracetamol als auch Ibuprofen beginnen etwa 15–30 Minuten nach der Anwendung zu wirken. Womöglich wirkt Ibuprofen etwas stärker als Paracetamol – ob dies im Alltag einen Unterschied macht, ist jedoch zweifelhaft. Paracetamol und Ibuprofen können auch abwechselnd eingenommen werden – etwa, wenn eine nachhaltige und konsequente Fiebersenkung aufgrund früherer Fieberkrämpfe angezeigt ist. Bekommt Ihr Kind also z. B. schon zwei Stunden nach der Einnahme von Paracetamol wieder Fieber, so müssen Sie mit einer weiteren Einnahme von Paracetamol noch zwei Stunden warten (zwischen den Paracetamol-Einzeldosen müssen mindestens vier Stunden verstreichen). In diesem Fall können Sie Ihrem Kind aber Ibuprofen geben. Halten Sie bei diesem Abwechslungsschema aber stets die Minimalabstände zwischen den Einzeldosen ein (etwa vier Stunden für Paracetamol, sechs Stunden für Ibuprofen). Die beim Erwachsenen häufig gegen Fieber eingesetzte Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®) darf bei Kindern unter 16 Jahren nicht verwendet werden. Manche Kinder entwickeln hierauf nämlich eine schwere Stoffwechselentgleisung, die vor allem das Gehirn und die Leber betrifft und sich durch Erbrechen, Krampfanfälle und zunehmende Benommenheit bis hin zum lebensbedrohlichen Koma äußert. Dieses Reye-Syndrom wird bei manchen erblich vorbelasteten Kindern durch die Acetylsalicylsäure ausgelöst. Welches Kind gefährdet ist, lässt sich vorher nicht feststellen. Da heute jedoch »sichere« Medikamente zur Verfügung stehen, lässt sich dieses Risiko problemlos vermeiden. Unterstützende Maßnahmen der NaturheilkundeEin pflanzlicher Wirkstoff mit fiebersenkender Wirkung ist die Weidenrinde – sie wird manchmal auch als »natürliches Aspirin« bezeichnet. Die darin enthaltenen Salicylate gehören nämlich zur gleichen Wirkstoffgruppe wie die heute unter dem Markennamen Aspirin bekannte Acetylsalicylsäure. Zubereitung des Tees: Einen Teelöffel Rinde mit 1/2 Liter kaltem Wasser sehr langsam bis zum Kochen erhitzen, dann fünf Minuten ziehen lassen, abseihen und schluckweise trinken lassen. Kirschsaft und Rote-Bete-Saft sind gute Quellen von Vitamin C und werden häufig bei Fieber empfohlen. Die Homöopathie setzt bei plötzlichem, hohem Fieber z. B. Aconit D 6 (bei ängstlichem, unruhigem, durstigem, aber nicht schwitzendem Kind) oder Belladonna D 6 (bei schwitzendem, wenig durstigem, zurückgezogenem Kind) ein. Bei allmählich ansteigendem Fieber wird je nach Konstitution auch Ferrum phosphoricum D 6 empfohlen. Fiebersenkende ArzneimittelAm besten geeignet zur Fiebersenkung bei Kindern sind Paracetamol und Ibuprofen.
Wie viel? Die richtige Einzeldosis bei Zäpfchen ist 125 mg für Säuglinge, 250 mg für Kleinkinder und 500 mg für Schulkinder. Im Zweifelsfall (z. B. bei sehr schlanken oder sehr schweren Kindern) können Sie die Dosis auch exakt berechnen – die genaue Dosis pro Kilogramm Körpergewicht ist 15 mg, bei einem 20 kg schweren Kind also 20 x 15 mg = 300 mg. Die »genau richtige« Dosis passt daher nicht immer zu den im Handel verfügbaren Stärken (125, 250 und 500 mg). Greifen Sie dann zur jeweils am nächsten liegenden Stärke (bei einer errechneten Dosis von 200 mg also 250 mg, bei einer errechneten Dosis von 150 mg also 125 mg) oder zu Paracetamol-Saft. Wie oft? In der oben genannten Dosierung kann Paracetamol bis maximal alle vier Stunden gegeben werden, also sechsmal täglich.
Wie viel? Die richtige Einzeldosis ist 10 mg pro Kilogramm Körpergewicht, also bei einem 12 kg schweren Kind 120 mg. Wie oft? In der oben genannten Dosierung kann Ibuprofen bis zu alle sechs Stunden gegeben werden, also viermal täglich.
Aktualisiert ( Mittwoch, den 26. August 2009 um 15:51 Uhr )
© Herbert Renz-Polster et. al.: Gesundheit für Kinder, 2. Auflage 2006, Kösel Verlag München |