Medikamente geben
Mittwoch, den 03. Juni 2009 um 12:53 Uhr
Jeder, der schon selbst einmal über mehrere Tage ein Medikament einnehmen musste, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, dreimal am Tag eine Pille aus der Schachtel dahin zu befördern, wo sie wirken soll: in die Tiefe des Körpers. Da muss der Zeitpunkt stimmen, die Menge, die Abstände, die Abstimmung mit den Mahlzeiten, und dann muss das Ganze noch für eine ganz bestimmte Dauer durchgehalten werden. Wenn, dann richtigHalt dem ist leider nicht so: Ein Medikament kann nur wirken, wenn es in der richtigen Wirkkonzentration vorliegt. Ist es zu gering dosiert, so wirkt es häufig nicht etwa »einfach ein bisschen weniger«, sondern gar nicht – was aber nicht heißt, dass es dann keine Nebenwirkungen hat! So können zu niedrig dosierte Antibiotika z. B. der Entwicklung einer Antibiotikaresistenz (= Unempfindlichkeit des Keimes gegen das Antibiotikum) Vorschub leisten, da ein schwach dosiertes Antibiotikum zwar die empfindlicheren Bakterien abtötet, die widerstandsfähigsten aber überleben lässt. Entsprechend ist die Krankheit dann mit dem nächsten Antibiotikum umso schwerer zu behandeln. Tipps zur EinnahmeWenn Medikamente sein müssen, dann sollten sie also konsequent und richtig angewandt werden: In der richtigen Dosierung. Wenn Sie sich nicht sicher sind, fragen Sie lieber den Apotheker oder rufen Sie den Arzt noch einmal an. Und aus guten Gründen richtet sich der Arzt mit seiner Verordnung nicht immer nach den Angaben des Beipackzettels! Im richtigen Abstand. Der Abstand zwischen den Dosen sollte möglichst gleichmäßig sein, am wichtigsten ist also, keine Abgestimmt mit den Mahlzeiten. Ob ein Medikament vor, zu oder nach einer Mahlzeit genommen wird, ist zwar nur in Ausnahmefällen für die Wirksamkeit entscheidend, sehr wohl aber für die Verträglichkeit. Die entsprechenden Hinweise bekommen Sie vom Apotheker, dem Arzt oder dem Beipackzettel. Ausreichend lange. Es ist nur schwer einzusehen, dass ein Kind auch dann noch seine Medizin nehmen muss, wenn es eigentlich schon wieder gesund aussieht. Dennoch müssen gerade Antibiotika auch dann noch genommen werden, wenn sich die Entzündung schon beruhigt hat, um auch die letzten Herde noch zu »erwischen« – erklären Sie Ihrem Kindergarten- oder Schulkind, dass auch Feuerwehrleute bei einem Brand auch dann noch das Wasser für eine gewisse Zeit laufen lassen, wenn keine Flammen mehr zu sehen sind. Leider sind manche Eltern davon überzeugt, die Medizin müsse so lange gegeben werden, »bis das Fläschchen aus ist«. Dies stimmt nicht. Besonders bei Antibiotika haben sich heute für viele Krankheiten kürzere Behandlungszeiten durchgesetzt, und leider ist dies dem Beipackzettel oft nicht zu entnehmen. Im Zweifelsfall also die Praxis anrufen und mit dem Arzt reden (die Sprechstundenhelferinnen können Ihnen in dieser Frage nur bedingt Auskunft geben). Medikamentengabe bei Kindern
Alptraum? – Nein, BeipackzettelDas Kleingedruckte hat es oft in sich: Nicht nur stellt sich heraus, dass in dem rosa Saft ein ganzes Chemiebuch von Zusatzstoffen steckt, sondern auch dass mit Einnahme des angeblich »gut verträglichen« Medikaments Leib und Leben in Gefahr sind. Die Liste der Nebenwirkungen reicht oft von Allergien über Ãœbelkeit bis hin zur Darmentzündungen (»teils mit Darmdurchbruch«). Medikamente sind nun einmal hoch potente Wirkstoffe, die nicht immer garantiert zielgenau wirken können – dies ist der Grund, weshalb sie nur dann eingesetzt werden, wenn es einen schweren Schaden abzuwenden gilt. Die Liste der Nebenwirkungen ist oft auch deshalb so drastisch, weil die Hersteller auch extrem seltene Nebenwirkungen angeben müssen. Lassen Sie sich vom Arzt helfen, die Nebenwirkungen »in eine Perspektive« zu setzen – er kann Ihnen sagen, welche der angegebenen Gefahren exotischer Art sind. Auch stimmt die im Beipackzettel angegebene Dosierung nicht immer mit der Verordnung des Arztes überein, vor allem bei Antibiotika. Warum? Die Hersteller sind daran interessiert, möglichst preisgünstige Tagesdosen zu melden, so stehen sie im Vergleich mit anderen Herstellern günstig da – deshalb orientieren sich die Dosierungsangaben oft an der unteren Grenze der Empfehlungen von Experten. Dies ist auch der Grund, weshalb der Arzt oft zwei anstatt einer Flasche des Medikaments verordnen muss – was wiederum im Sinne der Pharmaunternehmen ist, für die auch der weggekippte Rest die Kasse klingeln lässt. Alkohol für Kinder?Für die Herstellung gerade pflanzlicher und homöopathischer Tropfen ist Alkohol oft unverzichtbar; zugleich ist er ein natürliches Konservierungsmittel. Aber ist Alkohol für Kinder nicht bedenklich? Wie kriegt man die Medizin von der Packung ins Kind?Globuli können schon Säuglingen in den Mund gesteckt werden, da sie sich von selbst auflösen und deshalb nicht in den »falschen Hals« geraten können.
[FOL]Das Verabreichen von Medikamenten erfordert nicht nur Geduld, sondern auch Ehrlichkeit. Wer ein Kind zum Schlucken der bitteren Pille überreden will, indem er versichert, das Medikament sei ein neu auf den Markt gekommenes Smartie, kriegt spätestens bei der nächsten Runde Schwierigkeiten. Selbst kleinen Kindern sollte der Sinn und Zweck eines Medikaments altersgerecht erklärt werden. Schreiben Sie ruhig den Namen des Kindes auf das Fläschchen oder die Schachtel, damit es auch sieht, dass dies »seine Medizin« ist. Auch wenn das eine oder andere Kind sich auf spielerische Art zur Einnahme des Medikaments überreden lässt (oder durch Tricks und Ablenkung überlistet werden kann), hat es sich bei den meisten Kindern bewährt, ein Medikament ohne große Vorreden zügig zu geben – verbreiten Sie eine Stimmung der Unausweichlichkeit, wie in einem Western, wenn der Held den Saloon betritt: Die Szene mit dem Löffelchen gehört zum Drehbuch; sie kann nicht ausgelassen werden. Aufbewahrung von MedikamentenAuch gerade im Gebrauch befindliche Medikamente sollten kühl und vor dem Zugriff kleiner Entdeckerhände gut geschützt aufbewahrt werden, z. B. im elterlichen Schlafzimmer. Manche angerührten Säfte und Zäpfchen gehören in den Kühlschrank (Beipackzettel beachten). Beachten Sie auch das Verfallsdatum angebrochener Packungen. Entsorgt werden Medikamente über die Apotheke. Gabe von ZäpfchenBei der Gabe von Zäpfchen halten Sie Ihr Kind am besten wie bei der Fiebermessung Link (also Beine nach oben. Bestreichen Sie das Zäpfchen mit etwas Vaseline oder Babycreme und schieben Sie es zügig ein, bis es verschwindet. Dann den Finger noch mit etwas Druck ein paar Sekunden am After lassen, manchmal drücken Kinder nämlich das Zäpfchen unwillkürlich gleich wieder hinaus. Am besten kneifen Sie aus demselben Grund die Pobacken auch danach noch etwa eine halbe Minute zusammen. Flutscht ein Zäpfchen trotzdem wieder aus dem Po, versuchen Sie einmal, das Zäpfchen »andersherum« einzuführen, es hält dann eventuell besser. Ohrentropfen, Augentropfen, NasentropfenDa geht leicht mal was daneben – nur die Tropfen zählen, die wirklich ins Auge gelangen. Bei den Nasentropfen fällt dies leichter, trotzdem streiten sich die Nasentropfen mit den Augentropfen um Platz 1 auf der »Unbeliebtheitsskala« von Kindern.
[ADM]Mit diesen Tropfen werden Sie bei Ihrem Kind nur wenig Beifall ernten. Legen Sie das Kind am besten flach auf den Rücken und lassen Sie, wenn möglich, eine zweite Person das Köpfchen halten. Einen Säugling können Sie auch in ein Handtuch einwickeln, damit er Ihnen nicht mit den Händen in den Weg kommt. Beugen Sie sich über das Kind und träufeln die Tropfen ein. Hilfe für viele Fälle: die HausapothekeEs lohnt sich, einige wichtige Medikamente und Hilfsmittel im Haus vorrätig zu halten, damit Sie kleinere Notfälle selbst behandeln oder zumindest »anbehandeln« können. Unsere Empfehlung hierfür steht im Kasten auf der linken Seite. Am besten richten Sie die Hausapotheke in einem kindersicheren Schränkchen oder Schrankfach ein – möglichst nicht im Badezimmer, dort ist es für Lagerzwecke meist zu feucht. Kontrollieren Sie die Hausapotheke regelmäßig, ob die Medikamente noch haltbar sind und füllen Sie die Hausapotheke rechtzeitig nach, bevor Ihr Vorrat ganz zur Neige geht. Ausstattung der Hausapotheke
Nicht übertreibenBei der Hausapotheke sollte die Betonung auf »Haus« und nicht auf »Apotheke« liegen – Sie können nun einmal nicht jeden Fall des Falles abdecken. Das gilt insbesondere für die »Erkältungsmittel« wie Hustensäfte, Nasentropfen, Schleimlöser und so weiter. Besonders Hustensäfte sind nicht lange lagerfähig – und zudem wird Husten nicht immer mit dem gleichen Medikament behandelt (wenn er überhaupt behandelt wird). Bis sich ein Husten so weit festsetzt, dass er behandelt werden muss, haben Sie genug Zeit, um sich in der Apotheke oder beim Arzt Rat zu holen.
Aktualisiert ( Montag, den 27. Februar 2012 um 16:50 Uhr )
© Herbert Renz-Polster et. al.: Gesundheit für Kinder, 2. Auflage 2006, Kösel Verlag München |