Akuter Durchfall und Magen-Darm-Infekt
Dienstag, den 07. Oktober 2008 um 09:52 Uhr
Nach der Erkältung ist der akute Durchfall (d. h. plötzlich einsetzende Durchfall) das zweithäufigste Beschwerdebild des Kindes und fast immer genauso gutartig: Meistens ist der Durchfall durch eine harmlose Magen-Darm-Infektion (= infektiöse Gastroenteritis, Magen-Darm-Grippe) bedingt und hört innerhalb von 2–4 Tagen von selbst auf. Nur selten wird Durchfall dem Kind gefährlich, dann nämlich, wenn der Körper durch den Flüssigkeits- und Salzverlust austrocknet. Aufgrund ihres labileren Flüssigkeitshaushaltes sind Säuglinge dabei stärker gefährdet als ältere Kinder. Leitbeschwerden
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Das Wichtigste aus der MedizinSo häufig ein Durchfall bei Kindern ist – nicht jede ungewohnte Windelfüllung ist ein Durchfall: Häufigkeit des Stuhlgangs und Stuhlbeschaffenheit sind nahrungsabhängig, von Kind zu Kind unterschiedlich und ändern sich manchmal wie das Wetter: Mal gibt es dreimal am Tag ein »großes Geschäft«, in anderen Zeiten nur eines alle drei Tage, und beides ist normal, solange sich das Kind wohl fühlt und gedeiht. Bei Säuglingen und hier insbesondere bei gestillten Säuglingen sind die Grenzen sogar noch weiter gesteckt: 10–12 Stühle täglich sind genauso im grünen Bereich wie nur einer pro Woche. Von Durchfall (= Diarrhoe) ist dann zu sprechen, wenn der Stuhlgang häufiger als normal und dabei ungewöhnlich flüssig oder wässrig ist. Die Farbe des »durchfallenden« Stuhles kann dabei sehr unterschiedlich sein, von hellbraun über gelb zu einem tiefen Grün. Was geschieht beim Durchfall?Durchfall, besonders wenn er wie bei diesem dreijährigen Kind mit Fieber einhergeht, ist eine echte Leidenszeit, in der Trost bei den Eltern not tut.
[RPO]Auch wenn die genauen Mechanismen unterschiedlich sind – Durchfall mit einem »Leck« im Dünn- und Dickdarm zu vergleichen, ist ganz treffend: Die Darmschleimhaut wird durch die erregerbedingte Reizung undicht, so dass Körperwasser in den Darm eintritt und sich mit dem Stuhl vermischt. Gleichzeitig kann die entzündete Darmschleimhaut die aufgenommene Nahrung nicht mehr aufspalten und damit die enthaltenen Nahrungs- und Begleitstoffe (ebenso wie das »Zuviel« an Flüssigkeit) nicht mehr in den Blutkreislauf aufnehmen. So wie der Nasenkatarrh infizierte Sekrete ausspült, so dient auch der akute Durchfall meist einem guten Zweck: Indem Krankheitserreger oder Giftstoffe aus dem Körper ausgetrieben werden, schützt sich der Körper vor einer tiefer gehenden Infektion. Ist der Magen beteiligt, kommt es zusätzlich zu Ãœbelkeit und Erbrechen. Auch sie können das Kind zwar sehr plagen, helfen aber letztlich ebenso wie der Durchfall, die Infektion zu begrenzen. Woher kommt der Durchfall?Am häufigsten ist Durchfall bei Kindern Zeichen einer Magen-Darm-Infektion. Hauptverursacher sind Viren (z. B. Rota-, Adeno-, Norwalk-Viren), die meistens von Kind zu Kind, etwa im Kindergarten, »weitergereicht« werden. Seltener sind Bakterien beteiligt, etwa Enteritis-Salmonellen oder verschiedene Escherichia-coli-Stämme. Sie werden nicht nur durch verschmutzte Hände, sondern auch durch Lebensmittel übertragen (=Lebensmittelinfektion). Noch seltener sind Parasiten (z. B. Amöben oder Lamblien) oder Pilze in Mitteleuropa für den Durchfall verantwortlich. Da Durchfallerreger jedweder Gattung in den südlichen Ländern häufiger sind, treten Darminfektionen bei und nach Aufenthalten in diesen Regionen gehäuft auf (sog. Reisediarrhö). Sind die Beschwerden nicht durch die Erreger selbst, sondern durch deren aufgenommene Giftstoffe bedingt, spricht man von einer Lebensmittelvergiftung. Der Durchfall tritt dabei oft schon wenige Stunden nach dem Genuss des verdorbenen Essens zusammen mit heftigem Erbrechen auf. Vielfach sind mehrere oder gar alle Personen erkrankt, die an der Mahlzeit teilgenommen haben. Auch bei Infektionen an anderen Stellen des Körpers, z. B. an den Luftwegen, kann der Darm mitreagieren ein paar Tage Durchfall oder auch Verstopfung bescheren. Bestimmte Nahrungsmittel und Getränke können bei übermäßigem Genuss ebenfalls Durchfall auslösen, indem sie zu viel Wasser in den Darm »ziehen«. Hier sind insbesondere koffeinhaltige Colagetränke, unverdünnte Obstsäfte, übertrieben gezuckerte Nahrung sowie Süßstoffe zu nennen. Antibiotika (mehr zu Antibiotika) stören die natürlichen (und nützlichen) Darmbakterien und lösen deshalb sehr häufig Durchfall aus. Bei älteren Kindern kann Durchfall auch bedeuten, dass sie »Schiss« haben (z. B. vor Klassenarbeiten), der Durchfall also psychisch bedingt ist. Der akute Durchfall ist abzugrenzen von den immer wiederkehrenden oder länger anhaltenden (chronischen) Durchfällen. Manche Klein- und Vorschulkinder gehen durch eine gelegentlich Monate bis Jahre anhaltende Phase, in der sie häufigen, breiigen Stuhlgang haben (= Reizdarm des Kleinkinds). Sie gedeihen dabei gut und zeigen keinerlei Bauchbeschwerden. Eine weitere mögliche Ursache sind Nahrungsmittelunverträglichkeitenund Nahrungsmittelallergien. Etwa 10 % der (älteren) Kinder haben beispielsweise eine Laktoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit), d. h. sie reagieren auf Milchprodukte mit Durchfall. Auch eine Kuhmilchallergie kann sich durch Durchfälle zeigen. Seltener ist die Zöliakie , eine Unverträglichkeit gegen das im Weizen enthaltene Klebereiweiß (Gluten). Sie zeichnen sich ebenso wie die chronischen Durchfälle z. B. bei Mukoviszidose oder bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) dadurch aus, dass das Kind außer dem Durchfall noch weitere Beschwerden hat (etwa Blutarmut) oder schlecht gedeiht, d. h. nicht altersentsprechend zunimmt. Zunehmend wichtige Ursache: EHECSeit einigen Jahren beobachten die Mediziner eine zunehmende Anzahl von Infektionen mit speziellen Escherichia-coli-Stämmen, den enterohämorrhagischen Escherichia-coli-Bakterien oder kurz EHEC. EHEC-Bakterien leben im Darm wiederkäuender Tiere, vor allem von Rindern, Ziegen und Schafen. Unter modernen Viehzuchtbedingungen haben sie so weit um sich gegriffen, dass sie inzwischen bei über der Hälfte der deutschen Schlachtrinder nachzuweisen sind. Hauptansteckungsquellen sind Rohmilch und Rohmilchprodukte sowie Rohwurst und unzureichend gegartes Fleisch. Auch beim Streicheln von Tieren auf dem Bauernhof oder in Streichelzoos ist Vorsicht geboten, da die Bakterien mit dem Kot der Tiere ausgeschieden und dann ins Fell (und damit auf die Hände der Kinder und noch weiter) verschleppt werden. Gefährlich sind die EHEC-Bakterien aus zwei Gründen: Zum einen reichen bereits geringe Bakterienmengen für eine Infektion aus (ungefähr 100 im Vergleich zu etwa 100 000 bei Enteritis-Salmonellen). Zum anderen produzieren die Bakterien Toxine (= Gifte), die bei gut 5 % der Kinder, vor allem im Klein- und Kindergartenalter, nach Abklingen der Durchfälle zum lebensbedrohlichen hämolytisch-urämischen Syndrom(= HUS) mit Auflösung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) und Nierenversagen führen. Eine Antibiotikabehandlung scheint das Risiko für ein hämolytisch-urämisches Syndrom zu erhöhen. Warnzeichen einer EHEC-Infektion sind blutige Durchfälle, meist verbunden mit krampfartigen Bauchschmerzen. Vorbeugen kann man durch gründliches Garen von Rindfleisch, Verzicht auf Rohmilch und sorgfältige Küchenhygiene. Nach dem Streicheln von Rindern, Schafen oder Ziegen sollten sich Kinder möglichst schnell die Hände waschen. Hauptgefahr: die AustrocknungDer Mensch hat von Natur aus wirkungsvolle Schutzmechanismen vor zu großem Wasserverlust. So kann die Niere z. B. den Urin etwa 100fach konzentrieren, um nur kein Wasser zu vergeuden. Dennoch kann der Körper unter bestimmten Umständen dehydrieren (= »austrocknen«), vor allem dann, wenn ein Kind sowohl erbricht als auch Durchfall und/oder Fieber hat. Gefahr besteht auch dann, wenn das Kind so schwach ist, dass es seinen Durst nicht mehr spürt oder nicht mehr stillen kann. Prinzipiell ist die Gefahr desto größer, je jünger das Kind ist. Zeichen der Austrocknung Frühzeichen
SpätzeichenBeobachten Sie eines der folgenden Zeichen, bringen Sie Ihr Kind am besten gleich zum Kinderarzt oder ins Krankenhaus:
Das macht der Arzt
Aktualisiert ( Donnerstag, den 29. Januar 2015 um 12:54 Uhr )
© Herbert Renz-Polster et. al.: Gesundheit für Kinder, 2. Auflage 2006, Kösel Verlag München |