Neurodermitis - Das Wichtigste aus der Medizin
Dienstag, den 07. Oktober 2008 um 12:52 Uhr
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Das Wichtigste aus der MedizinWoher kommt die Neurodermitis?Die Veranlagung zur Neurodermitis ist eindeutig erblich bedingt – darauf deuten etwa Familienstudien: Bei einem erkrankten Elternteil steigt das Erkrankungsrisiko für die Kinder auf 40 %, sind beide Eltern erkrankt, auf etwa 70 %. Auch Kinder von an Heuschnupfen oder Asthma erkrankten Eltern entwickeln häufiger eine Neurodermitis. Dass die Neurodermitis seit etwa drei Jahrzehnten immer häufiger wird, ist jedoch nicht auf Erbfaktoren zurückzuführen. Vielmehr wird vermutet, dass das Immunsystem unserer Kinder durch die westliche Lebenskultur ungenügend »trainiert« wird. Warum ein Kind Neurodermitis bekommt, liegt also sowohl an erblichen Einflüssen als auch an bestimmten – meist unvermeidbaren – Lebensbedingungen in seiner frühen Kindheit. Hat ein Kind die Veranlagung zur Neurodermitis, so bricht die Erkrankung dann aus, wenn das Kind bestimmten Auslösern begegnet. Diese bringen dann sozusagen die Lawine ins Rollen. Die Auslöser sind für jedes Kind individuell verschieden. Häufige Auslöser bei Neurodermitis
Auslöser: doppeltes GesichtOb durch das konsequente Vermeiden von Auslösern die Entstehung einer Neurodermitis bei einem bisher nicht erkrankten Kind verhindert werden kann, wird heiß debattiert. Wahrscheinlich ist dies jedoch nicht möglich. So zeigen Vergleichsstudien, dass durch ein späteres Einführen der Beikost eine Neurodermitis nicht weniger wahrscheinlich wird. Auch die Vermeidung von Hausstaubmilben durch spezielle Matratzenbezüge hatte keinen Schutzeffekt. Das Vermeiden bekannter Auslöser kann jedoch bei bereits an Neurodermitis erkrankten Kindern sehr wohl die Häufigkeit von Schüben vermindern und den Verlauf der Neurodermitis abschwächen! Typisches vielfältiges BildNeurodermitis in der Ellenbeuge. Bei dem sechs Monate alten Baby ist die Neurodermitis in beiden Ellenbeugen an roten Herden deutlich zu erkennen, auch die seitlichen Halspartien sind zum Nacken hin betroffen. Das Gesicht des Kindes ist hingegen frei. Dieses Verteilungsmuster ist zwar eher typisch für das Kleinkindalter, doch das Bild zeigt, wie unterschiedlich die Neurodermitis im Einzelfall verlaufen kann.
[RKL] Schon Neugeborene können durch eine trockene Haut auffallen und zeigen dann oft auch gerötete, nässende Stellen in den Hautfalten (Ellenbeuge und Kniebeuge). Klassischerweise beginnt die Neurodermitis aber etwa im 2.–4. Lebensmonat, und zwar am Kopf: Die Wangenhaut ist gerötet, schuppig, rau, einzelne Stellen können nässen. Auch die Stirn ist oft betroffen. Der behaarte Kopf kann jucken und von trockenen Schuppen überzogen sein. In schweren Fällen breitet sich der Ausschlag auf den übrigen Körper aus, wobei vor allem die Streckseiten der Arme und Beine (also die Seite, an der sich Ellenbogen bzw. Knie befinden) sowie die Waden betroffen sind. Der Windelbereich bleibt bei der Neurodermitis aber meist ausgespart. Bei der Neurodermitis werden häufig schuppige, juckende Veränderungen der Kopfhautbeobachtet, die dabei oft auch entzündet aussieht und nässt (die Schuppen selbst sind zunächst trocken). Eine ähnliche Schuppung am Kopf tritt bei der seborrhoischen Säuglingsdermatitis auf, außerdem können bei dieser Hauterkrankung die Halsfalten, der Windelbereich und alle Gelenkbeugen mitsamt der Achseln befallen sein. Die Hautschuppen sind hier im Gegensatz zur Neurodermitis aber gelblich-fettig, der Juckreiz fehlt, und die Säuglinge sind nicht beeinträchtigt. Kompliziert wird die Lage dadurch, dass eine seborrhoische Säuglingsdermatitis manchmal einer Neurodermitis vorausgeht, so dass die Abgrenzung im Einzelfall schwierig ist. Altersabhängiges BildDie Neurodermitis bevorzugt in jedem Alter andere Hautstellen: Während beim Säugling vor allem das Gesicht und die Außenseiten von Armen und Beinen betroffen sind, hat das ältere Kleinkind den Ausschlag eher in den Gelenkbeugen. Bei Jugendlichen sind oft auch Hals und Brust betroffen.
[AMR]Im späten Kleinkindalter – bei manchen früher, bei manchen später – verändert sich das Bild. Der Ausschlag nässt nicht mehr so sehr, und die Bläschen werden von Knötchen abgelöst. Bei vielen verschwindet der Hautausschlag, oder das Kind leidet nicht mehr sichtlich darunter. Die Haut wird trockener und erscheint verdickt, die Hautfalten sind vergröbert. Außerdem wandern die Erscheinungen von den Streck- zu den Beugeseiten, vor allem Kniekehlen, Ellenbeugen und Handgelenksinnenseiten sind nun betroffen. Einen erneuten »Szenenwechsel« bringt die Pubertät: Auch hier bilden sich die Krankheitserscheinungen oft zurück, oder aber sie wechseln erneut die Stellen, es wird etwa der Hals oder eine andere Gesichtspartie befallen. Viele Erwachsene, die als Kinder eine Neurodermitis hatten, haben zwar nach wie vor eine trockene und erhöht pflegebedürftige Haut, die sie aber im Alltag bei etwas Vorsicht nur wenig einschränkt. Besonders quälend: der JuckreizAm schlimmsten in allen Altergruppen ist der Juckreiz. Er ist oft so stark, dass sich die Kinder blutig kratzen: Der Schmerz ist leichter zu ertragen als der Juckreiz – wenn die Kratzstelle blutet, empfinden viele Kinder das sogar als Erleichterung. Die Kinder können sich tags nicht konzentrieren und nachts nicht schlafen. Die Müdigkeit verstärkt die juckreizbedingte Reizbarkeit noch. Die aufgekratzten Stellen sind eine willkommene Eintrittspforte für Bakterien, die dann zu einer zusätzlichen bakteriellen Hautentzündung führen. Zudem unterhält das Jucken die Neurodermitis. Denn die mechanische Reizung sorgt dafür, dass die Immunzellen der Haut ihre entzündlichen Botenstoffe freisetzen und dadurch den Immunprozess »anfeuern«. Neurodermitis ist also kein »Ausschlag, der juckt«, sondern ein »Juckreiz, der ausschlägt«! MinimalformenAusgeprägte Formen der Neurodermitis sind ohne Mühe als solche erkennbar. Die Neurodermitis verläuft aber auch sehr häufig ohne gravierende Zeichen. Bei leichten Formen haben die Kinder nur eine trockene Haut, und erst wenn zusätzliche Hautbelastungen hinzukommen, wie etwa winterliche Kälte oder sehr häufiges Händewaschen, treten Beschwerden auf. Die Grenzen zum Normalen sind dabei fließend. So haben viele Säuglinge im Winter raue Backen, ohne dass sie gleich unter einer Neurodermitis leiden. Dasselbe gilt für das Lippenleckekzem, das völlig normal oder aber eine Minimalform der Neurodermitis sein kann. Im Winter trocknen die Lippen des Kindes jahreszeitlich bedingt aus. Das Belecken der Lippen bringt zwar kurzzeitig Besserung, trocknet jedoch gleichzeitig Lippen und umgebende Haut noch mehr aus und verstärkt das Spannen und Jucken. Um sich selbst zu helfen, leckt das Kind immer wieder, bis schließlich die Haut um den Mund rot und entzündet und noch leichter reizbar ist. Auch die häufigen »Faulecken« (= Perlèche), d. h. rote, nässende, krustenbildende Herde an den Mundwinkeln, Ohrläppchen sowie in den Finger- oder Zehenspalten könnten minimale Zeichen einer Neurodermitis sein. Ähnliches gilt für das atopische Handekzem, bei dem länger dauernde leichte Hautreizungen, z. B. durch häufigen Wasserkontakt oder Klimafaktoren, kleine Bläschen oder eine Schuppung an den Handflächen und den Seitenflächen der Finger auslösen. Auch ständig trockene, schuppende Haut an den Fingerkuppen kann eine Minimalform der Neurodermitis sein. Was den Händen recht ist, ist den Füßen billig: Nicht wenige kindliche Fußekzeme sind als Ausdruck einer Neurodermitis zu betrachten. Begünstigt werden die Erscheinungen durch luftundurchlässiges Schuhwerk wie die derzeit modischen Turnschuhe oder auch Winterstiefel – daher auch der Name atopische Winterfüße. Nicht selten: zusätzlich andere atopische ErkrankungenWie bereits erwähnt, gehört die Neurodermitis zu den atopischen Erkrankungen. Das Kind hat also nicht nur die Veranlagung zur Neurodermitis geerbt, sondern die für die gesamte Krankheitsgruppe. So erklärt es sich, dass 30 % der Kinder mit einer Neurodermitis später einen allergischen Schnupfen oder ein allergisches Asthma entwickeln. KomplikationenDie vorgeschädigte Haut eines Kindes mit Neurodermitis ist außerdem anfälliger für Hautinfektionen, sowohl durch Bakterien als auch durch Viren oder Pilze:
Häufiges Problem: HautinfektionenDie Haut eines Neurodermitiskindes kann sich schlecht gegen eindringende Bakterien wehren – der Säureschutzmantel fehlt, und offene Stellen bzw. Kratzspuren sind ideale Einstiegsstellen für Hautkeime. Die meisten Kinder mit Neurodermitis leiden deshalb von Zeit zu Zeit an Hautinfektionen, auch wenn die Haut optimal gepflegt wird. Für eine Hautinfektion spricht:
Aktualisiert ( Donnerstag, den 29. Januar 2015 um 13:35 Uhr )
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